Dienstag, 26. Juni 2018

Warum Europa die Flüchtlinge so fürchtet

Das Gefühl liegt irgendwo zwischen dem applaudierenden Gutmenschen und der panischen Familie, die sich in ihrem Haus verschanzt.
Die Asylpolitik schwankt zwischen Merkel und Macorn – die am Liebsten alle Flüchtlinge in Jobs stecken würden um das BIP zu erhöhen – und zwischen Seehofer und Orban – die am Liebsten alle Flüchtlinge vor die Grenzen stellen würden. Und gleich noch ein paar mit, die schon länger hier und unbequem sind.
Die Medien pendeln zwischen dem arbeitsscheuen Sozialschmarotzer, der von unseren Steuern lebt und dem gierigen Kontrahenten, der uns unseren Job wegnimmt.

Alles Bilder, die Angst schüren.
Mal abgesehen davon, dass all dies tatsächlich stimmt – und alles falsch ist. Weil es „den Flüchtling“ eben so wenig gibt wie „den Deutschen“ - aber es gibt tatsächlich EINEN Punkt, an dem sich die Flüchtlinge von den Europäern unterscheiden.

Was man über alle Flüchtlinge gleichermaßen sagen kann, ist, dass sie geflüchtet sind. Der Grund kann unterschiedlich sein, doch Angst um ihr Leben, Angst davor, sein Leben nicht ausleben zu können, Angst um sein wirtschaftliches Fortkommen ist immer ein Grund. Sie alle sind geflüchtet, weil sie dort, wo sie waren, nicht so leben konnten, wie sie es wollten. Also haben sie die Initiative ergriffen, sind das Risiko eingegangen und haben sich einer vollkommen neuen Situation gestellt.
Initiative ergreifen!
Risiken eingehen!
Sich Herausforderungen und neuen Situationen stellen!
Das alles kann „der Europäer“ (und auch „die Europäerin“!) kaum mehr. Ja, wenn man sich die Gutmenschen und die Panikschieber ansieht, so erkennt man zumeist, dass die Menschen mit der meisten Angst jene sind, welche auch in ihrem Leben den Status Quo verherrlichen und 'nur nichts ändern' wollen. 'Soll nur nicht schlechter werden, als es ist' – so die gängige, österreichische Aussage.
Von 'besser werden' keine Rede.

Die Angst vor dem Flüchtling ist also – es tut mir leid – in erster Linie das Unbehagen über die eigenen Unfähigkeit und Trägheit. Die Angst davor, sich dem Wettbewerb zu stellen, eine Herausforderung anzunehmen und sich auf neue Situationen einstellen zu müssen.

All dies wären Qualitäten, die Europa im internationalen Wettstreit dringend benötigen würde, während China unsere Wirtschaft langsam unterwandert, russische Oligarchen Entscheidungsträger aufkaufen und die USA sich immer mehr in den Schmollwinkel zurück zieht. Da müsste Europa selbst aufstehen, Präsenz und Initiative zeigen. Doch Europa wird polnisch, versteckt sich in weihrauchgeschwängerten Kirchen und lässt nicht nur die christliche Caritas vor geschlossenen Türen verrecken.

Aber die Tore Europas werden nicht geschlossen bleiben.
Und weil eine unkontrollierte Einreise ebenso dumm ist wie der Ausverkauf von Wissen und Technologie, wird das Ergebnis der „Flüchtlingskrise“ sein müssen, dass die Europäer sich von ihren fetten Hintern erheben und selbst wieder Risiken eingehen, Initiative zeigen und sich der Situation stellen.

Weil es nicht reicht im Fernsehsessel zu sitzen. Weil wir danach streben müssen, besser zu werden, wenn wir unseren Status halten wollen.

Unbequem? Ja, vielleicht.
Notwendig? Ja, sicher!