Mittwoch, 25. Juli 2018

Das Beamtentum und die Gesellschaft

Es war so zirka damals, als die Handelshäuser erstarkten, die Bürger gebildeter wurden und die Herrschenden immer panischer, dass das Beamtentum eingeführt wurde.
Personen, die den Herrschenden helfen sollten das Land zu verwalten und gleichzeitig darauf zu achten hatten, dass sich diese Herrschenden nicht (über Maßen) an der Bevölkerung bereicherten.
Um dies zu erreichen sah man darauf, dass diese Beamten einigermaßen verdienten um nicht bestechlich zu sein - aber nie all zu gut um keinen Neid zu erregen. Andererseits musste man sie vor der Willkür der Herrschenden durch Unkündbarkeit schützen, um sie nicht manipulierbar zu machen.

Eine Klasse von Priestern des Allgemeinen Wohlstandes zu schaffen, die jedermanns Fortkommen im Auge hatte, das war ein interessantes soziologisches Projekt und eine Phantasie, die eindeutig dem Weltbild des 'reifen und von Natur aus gerechtem Menschen' der Aufklärung geschuldet war.
Dass trotz aller Sorgfalt Menschen käuflich sind, oder unter Druck gesetzt werden können, das bewiesen die Generationen, die darauf folgten.
Wohl in seiner reinsten Verkörperung findet sich der pflichtbewusste Beamte noch in der Person von Franz-Josef von Habsburg-Lothringen, seines Zeichens 'Kaiser von Österreich und erster Beamter und Diener des Staates'.

Ab dem beginnenden 20. Jahrhunderts (dem Beginn des Antropozäns?) wurden die Massen selbstbewusster und die Wächter ihres Wohlstandes immer mehr zu Witzfiguren, Hassbildern oder verknöcherten Verhinderern der Entfaltung.

Interessant für mich ist, dass gerade im Zeitalter der wirtschaftlichen Stagnation der Ruf nach dem Abbau 'der Beamten' immer lauter wird. Und immer mehr mitgetragen wird von den Menschen, die eigentlich im Schutz des Beamtentums stehen. Das Streben nach „mehr Privat – weniger Staat“ mag einigen wenigen nützen, der Masse der Menschen läuft diese Bewegung aber zuwider. Denn 'die Wirtschaft' ist ein vom menschlichen Leben abgehobenes System, das schon lange nicht mehr dazu dient um den Menschen zu versorgen. Wenn es denn je dessen Sinn war.
Ist die Menschheit vergleichbar mit einem Virus, der den Körper des Planeten befällt und ihn aussaugt, so ist die Wirtschaft darin das Krebsgeschwür dessen einziges Interesse ungehindertes Wachstum ist. Was den Wirtskörper unweigerlich vernichten muss.
Tendenzen zu einer 'sozialen Marktwirtschaft' zu kommen waren ebenso halbherzig wie erfolglos.

Die Struktur des Staates so wie die Funktion der Beamten war es – in der Idee – die Menschheit durch Regeln und Schranken vor dem Übermaß zu schützen und die Entwicklung in nachhaltige Bahnen zu lenken.

In dieser Gesellschaft, in der Menschen in prekären Jobs denen unter Mindestlohn die Überstunden neiden und die, die ohne Job von der Gemeinschaft versorgt werden laut und eifersüchtig darüber wachen, dass niemand Neuer dazu kommt – in dieser Gesellschaft hat das 'Traumbild des unendlichen Wachstums' über den gesunden Menschenverstand gesiegt und die Gesellschaft taumelt in weiten Schleifen der Eskalation zwischen Börsenblase, Neiddebatte und ängstlicher Vermeidung der Kooperation einem neuen, nationalen Chaos entgegen.

Dass jedem Untergang ein neuer Aufschwung folgen wird – folgen kann, wenn die Zerstörung nicht all zu groß ist – das mag für die Menschen des 21. Jahrhunderts nur ein schwacher Trost sein.