Donnerstag, 29. Oktober 2015

Europa und der (syrische) Stier

Gerne wird die mythologische Darstellung Europas auf dem Stier herangezogen. 
Das schöne, geistig hochstehende Wesen getragen von einer breiten, kräftigen Masse. Vorwärtsstrebend, gemeinsam unaufhaltsam. 

Doch schon ein genauerer Blick auf die altgriechische Geschichte trübt das Bild. 
Europa wurde vom Stier entführt – und gefi**t. 
Da war keine Zusammenarbeit und wohl nur zögerliche Zustimmung der jungen Dame. Ok, es war immerhin Zeus, der dann am Strande Kretas zu Werke schritt und sie beglückte. 

Doch das Bild ist nicht Geschichte. Europa kommt immer noch zierlich und entscheidungsschwach daher. Wird fortgerissen von den breiten Massen der Flüchtlinge und wird entführt in Situationen, mit denen sie nicht umgehen kann. Weil sie sich diesen Fragen nie gestellt hat und weil sie bisher von Konflikten dieser Art weitestgehend verschont geblieben ist. 
Ob dieses Europa von den einströmenden Flüchtlingsmassen (lt. wohlmeinender, rechter Schätzung heuer bereits ca. 550.000) gefi**t wird? Die Zukunft wird es weisen. Die Kratzer an ihrer schönen, weißen Haut, die Narben im Gemüt werden bleiben. 

Ich treibe es noch weiter: 
Europa musste nackt am Stand von Sidon baden, wo Zeus kaum anderes konnte, als sie sehen. Und wer vom alten Zeus jemals gehört hatte, der wusste ganz genau was da kommen würde. 
Europa hat über Jahrzehnte die wirtschaftlichen Strukturen in den Drittewelt-Ländern zerstört, Politik untergraben, Verbrecher in Ämter eingesetzt und die Bevölkerungen zum eigenen Vorteil ausgebeutet. Und wer die Menschen kennt, der weiß, dass sie viel ertragen, aber irgendwann sich dem Hunger und dem Terror durch Flucht entziehen. 

Die Flüchtlingskrise ist nicht neu und wer sich darüber wundert, der hat die letzten 40 Jahre im Koma verbracht. Denn seit der Energiekrise in der 70igern warnen Wirtschaftler und Wirtschaftswissenschafter schon davor. Malen uns die tausenden im Mittelmeer ertrunkenen Menschen an die Wände. Haben uns die Fluchtrouten über den Balkan vorgezeichnet. Wieder und wieder. 
Doch Europa war taub und zu sehr damit beschäftigt seinen Profit zu mehren. 

Und ich weiß, wovon ich rede. Bin ich doch auch einer dieser Wirtschaftsflüchtlinge! 
Ja, ich habe meine ländliche Heimatgemeinde verlassen, weil es keinen Job gab. Bin mit (wenig) Hab und Gut übersiedelt – als junger Mann, ohne Familie – weil es in der großen Stadt Job und Geld und Wohnung und Mädchen gab. 
Weil ich mir dort ein besseres Leben erhoffte. 
Chancen für die Zukunft sah. 
Und jene – die jetzt ganz genau das Gleiche machen – soll ich verurteilen? 

Ach ja, und Wienerisch verstand ich am Anfang auch kaum!

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